England, 1607: In seinem Leben hatte George schon so manches Frauenherz erobert, so manchen edelsteinbehangenen Hals erleichtert und so manchem Lord Hörner aufgesetzt. Aber diese glorreichen Tage sind längst vorbei. Sein Mantel ist verschlissen, der Degen verrostet. Ein letztes Abenteuer verschlägt ihn nun an die kalten Gestade des Kanals – in ein kleines Schmugglerdorf namens Longhill.
RICHARD BERGEN
Ein letztes Abenteuer
Historischer Roman
Ebook-Ausgabe
England, 1607
Wind und Regen zerrten an den kahlen Ästen der Bäume, die das unwirtliche Land bedeckten. Nur vereinzelte Strahlen des blassen Mondlichtes durchbrachen die schwarzen Wolkenfetzen und warfen einen schwachen Schimmer auf eine schlammbedeckte Straße, die ein völlig durchnässtes Pferd mit hängendem Kopf entlangtrabte.
Dem graugescheckten Hengst sah man unschwer an, dass er schon weit bessere Zeiten erlebt hatte. Das Gleiche konnte man über die Gestalt sagen, die sich vom geschwächten Rücken des Tieres tragen ließ.
Der Mann war alt, sicher schon in seinen Vierzigern. Er trug an einer Schärpe einen Degen mit kunstvoll verziertem Griff. Seine Kleidung war aufgeweicht und hing klatschnass an seinem Körper herab, doch sie schien von edlerer Herkunft zu sein. Im Gesicht des Mannes ließen sich allerdings keinerlei Zeichen für Edelmut finden. Er blickte müde und unrasiert in das unfreundliche Wetter hinaus. Nur mit Mühe hielt er den Knauf seines Sattels umklammert und immer wieder klappten ihm die Augen zu.
Erst als er in der Ferne einige schwache Lichter erblickte, hellten sich seine Augen etwas auf und die Gesichtszüge bekamen etwas markant Männliches, was man mit etwas Wohlwollen durchaus als gut aussehend bezeichnen konnte. Er stieß seine verrosteten Sporen leicht in die Seiten des Pferdes und animierte es so zu einem schnelleren Gang.
Die näher rückenden Lichter entpuppten sich schließlich als Fenster, die wiederum zu verschiedenen flachen Häusern gehörten, deren Dächer aus altem Stroh gefertigt waren. Es bestand kein Zweifel mehr, der Reiter näherte sich einem kleinen, dreckigen Dorf.
Ein kläffender Hund kam dem Pferd entgegengerannt, bellte es laut an und buhlte aufdringlich um Aufmerksamkeit. Die Rippen des Tieres traten weit hervor, woraus der Reiter schloss, dass es sich um ein sehr armes Dorf handeln musste. Offenbar hatten die Einwohner selbst kaum etwas zu beißen, weshalb sie es sich kaum leisten konnten, hier und da ein paar Essensreste unter dem Tisch verschwinden zu lassen.
Der Reiter bemerkte, dass die Straße vollkommen menschenleer war. Er erreichte einen Dorfplatz, auf dem nur ein einziges Gebäude bewohnt zu sein schien. Die Geräusche von singenden Männern waren zu hören und ein Blick auf das Schild vor dem Gebäude ließ den Reiter kombinieren, dass es sich bei den singenden Männern um Betrunkene handeln musste. Auf dem Schild stand in einfachen Lettern: ›Potter’s Inn‹. Augenscheinlich die Dorfschenke.
Vor dem Haus stand eine Kutsche, die über und über mit Straßenschlamm bedeckt war, doch ein aufwendiges Wappen an der Seitentür deutete darauf hin, dass der Besitzer ein Adeliger sein musste. Da dieser Ort nicht gerade wie eine ideale Niederlassung für Aristokraten wirkte, musste es sich bei dem Eigentümer der Kutsche wohl um einen Reisenden handelte. Der Reiter fand diesen Umstand sehr interessant. Mit einem sanften Zug an den Zügeln brachte er seinen Hengst zum Stehen und stieg langsam ab. Er band die Zügel an einem dafür vorgesehenen Pfosten an, wandte sich der Tür des Ladens zu und schritt ein. Er kniff leicht die Augen zusammen, als ihm Wärme und Licht entgegenschlugen. Erst nach wenigen Momenten konnte er sich der Aufgabe zuwenden, die Umgebung zu sondieren.
Mehrere große Holztische standen in dem niedrigen Raum. An den meisten saßen einfache Bauersleute, die sich mit Bier und Branntwein vergnügten und sich dabei Geschichten erzählten. Lediglich ein Tisch im hinteren Teil des Gebäudes war von zwei Personen besetzt, die beide nicht so recht in die Umgebung passen wollten - ein Mann und eine Frau.
Der Mann trug einfache schwarze Lederkleidung und war gerade damit beschäftigt, seinen schweren Mantel abzulegen. Bei der Frau handelte es sich ohne Zweifel um eine Lady. Sie trug ein rotes Kleid, von dunkler, edler Färbung. Das Dekolleté betonte die Fülle ihrer Brüste. Einige rötliche Verfärbungen unterhalb des Schlüsselbeins ließen den Neuankömmling vermuten, dass die Lady bis vor kurzem eine schwere Juwelenkette an diesem Platz getragen hatte. Offenbar hatte sie aus Angst vor Dieben das Geschmeide abgenommen, bevor sie die Schenke betreten hatte. Das etwas rundliche Gesicht der Lady wirkte auf unseren Reiter nicht gerade attraktiv, was wohl vor allem ihrer Fettleibigkeit zuzusprechen war. An ihrer Körperfülle war deutlich abzulesen, dass sie reicher Herkunft sein musste. Diese Fettpolster waren beredter als alles Geschmeide dieser Welt.
Nach diesem ersten Rundblick begab sich der Reiter an einen kleinen Ecktisch, der wohl aufgrund seiner abgelegenen Lage noch unbesetzt war, und ließ sich nieder. Aus der abgeschiedenen Dunkelheit heraus musterte er intensiv seine Umgebung, bis sich ihm eine Bedienstete näherte. Sie war recht hübsch. Das schwarze, leicht gewellte Haar fiel ihr zu beiden Seiten über die grazilen Schultern. Ein einfaches, mit Flicken übersätes Kleid umhüllte den schlanken Körper, doch ihre Bewegungen waren von der Eleganz einer Aristokratin.
»Was wünschen Sie, mein Herr?«, fragte sie mit einer süßen Stimme, die in ihrer leichten Heiserkeit noch mehr an Anziehung gewann.
Der Neuankömmling konnte nicht umhin, charmant zu erwidern: »Dass Sie sich zu mir setzen, mein Engel.«
Dem Mädchen schien diese Anrede zu gefallen, denn sie lächelte leicht. Offenbar war sie in dieser Umgebung einen raueren Umgangston gewohnt. Dann meinte sie in etwas spöttischem Ton: »Ich setze mich aber nie zu einem Gast ...« Ihr Lächeln verstärkte sich. »... dessen Namen ich nicht kenne.«
»Mein Name ist George«, erwiderte der Fremde sehr schnell. »Und ich würde alles tun, um Sie nur einen Moment länger in meiner Nähe zu haben, meine Schöne.«
Ein erneutes Lächeln glitt über das zauberhafte Gesicht des Mädchens und legte die weißen Zähne frei. Etwas zaghaft setzte sie sich. »Was möchten Sie trinken?«
»Ein Glas Wein wäre nicht übel. Ich bevorzuge französischen Rotwein. Wenn Sie etwas davon auftreiben könnten, würden Sie mich zum glücklichsten Manne in ganz England machen.«
Sie sah ihm einen Moment lang in die Augen und nickte dann immer noch lächelnd. »Wie könnte ich Ihnen etwas abschlagen?«
Als sie mit einem Glas Wein zurückkehrte und sich neben ihm auf der Holzbank niederließ, fragte er sie unverblümt: »Sagen Sie, haben Sie auch diese Reisende in dem roten Kleid bedient, die dort hinten an dem Tisch sitzt?« Dabei deutete George auf die reiche Lady.
»Ja«, meinte das Mädchen ein wenig verwundert.
»Hat sie irgendwas erzählt, woher sie kommt oder dergleichen?«, bohrte er weiter.
»Sie sagte, sie käme aus Gloucester und sei auf dem Wege nach London. Sie und ihr Kutscher wollen hier übernachten.«
»Sagte sie auch ihren Namen?«
»Nein.«
»Aber ich denke, Sie bedienen nur Gäste, deren Namen Sie kennen, meine Schöne?«
»Das trifft nur auf Gäste zu, die ich näher kennenlernen möchte ... George.« Während sie diese Worte leise aussprach, schaute sie ihm tief in die Augen.
Georges Blick wanderte herab zu ihren auffallenden Lippen, die sich voll froher Erwartung öffneten. Gierig zog er das Mädchen zu sich und drückte ihr einen festen Kuss auf den weichen Mund, der unter seinem harten Sturmangriff bereitwillig nachgab.
Bald darauf stachelte sein Bart aufreizend an ihrer Wange und er flüsterte zärtlich: »Dabei fällt mir ein, ich hätte auch gerne ein Zimmer, am besten mit einem großen, bequemen Bett.«
***
Wie im Rausch saugten sich seine Lippen an der Halsbeuge des Mädchens fest. Nackt lag er auf ihr, sein Unterleib bewegte sich rhythmisch zwischen den geöffneten Schenkeln, die bei jedem der sanften Stöße leicht wippten. George genoss ihren Geschmack, ihre pulsierende, leidenschaftliche Hitze, die durch die warme Haut zu ihm drang. Er zog es durch langsame Bewegungen in die Länge, verharrte ab und an, um nur nicht zu schnell aus jener zärtlichen Vereinigung entfliehen zu müssen. Dem Mädchen schien diese Vorgehensweise sehr zu behagen, denn von Zeit zu Zeit zuckte ihr einladendes Becken unter ihm etwas wilder und ein fast unterdrücktes Stöhnen verließ den hübschen Mund, was George jedes Mal erneut erregte.
Nachdem er sich – ganz Ehrenmann, der er war - über ihrem Bauch und nicht in ihrem Schoß ergossen hatte und erschöpft zur Seite sank, begann er auch schon, ihre warme Haut zu vermissen. Er tastete in der Dunkelheit nach ihrem Körper, so als müsse er sich davon überzeugen, dass sie noch anwesend war. Der Kontakt mit ihr tat ihm wohl. Verspielt griff er nach ihrem vollen Haar, wickelte eine Strähne um seinen Finger und streichelte sie. Dabei besah er sich gedankenverloren die düsteren Schatten an der Decke des Zimmers und entwickelte einen Plan.
Er hörte, wie die Atemzüge des Mädchens langsamer und gleichmäßiger wurden, bis er sich sicher sein konnte, dass sie ins Land der Träume übergetreten war. Daraufhin erhob er sich von der bequemen Lagerstatt und bekleidete sich. Er öffnete leise die Zimmertür und begab sich eine Treppe hinunter in die Schenke. Da es bereits spät in der Nacht war, befand sich keine Menschenseele mehr in dem Raum - ein Umstand, der George sehr gelegen kam. Er schritt zügig Richtung Ausgang und glitt hinaus in die regnerische Nacht. Ein Frösteln ließ seine Haut augenblicklich erzittern. Schwere, kalte Regentropfen klatschten in sein Gesicht. In jenem trüben Augenblick sehnte er sich in die zärtliche Umarmung des Mädchens zurück. Doch was sollten die Träume? Er war nicht zum Vergnügen hierher gekommen. Sicher nicht.
Umsichtig begab er sich zur abgestellten Kutsche der adeligen Reisenden. Anscheinend waren die Pferde im angrenzenden Stall untergekommen, weshalb die Deichsel nackt auf dem Boden lag.
George kniete hinter dem Gefährt nieder und betrachtete sich ausführlich die hölzerne Achse. Was er sah, schien ihn davon zu überzeugen, dass sein Plan erfolgreich verlaufen könnte. Er erhob sich geschwind und begab sich in den angrenzenden Schuppen. Die Pferde schnaubten verstört und aufgeregt, als er den kalten Raum betrat. Offenbar waren sie es nicht gewohnt, dass man sie zu dieser späten Stunde noch störte. George gab beruhigende Laute von sich, um die Tiere zu besänftigen.
Nachdem sich seine Augen einigermaßen an die Finsternis gewöhnt hatten, sah er sich um. Irgendwo in diesem dunklen Schuppen mussten doch Werkzeuge zu finden sein. Hier kamen schließlich des Öfteren Reisende vorbei. Da mussten sich doch Geräte zum Beschlagen von Pferdehufen finden lassen, vielleicht sogar andere Werkzeuge, die Georges Vorhaben noch mehr entgegenkamen. Und tatsächlich, in einer Ecke des Schuppens waren verschiedene Werkzeuge an die Wand gelehnt, ein Schmiedehammer, eine alte Reitpeitsche und eine Axt.
George lächelte befriedigt und griff sich die Axt. Mit dem neu erworbenen Instrument verließ er den Schuppen, begab sich wieder zur Kutsche und krabbelte unter die Hinterachse. Er holte leicht aus und schlug kurz gegen das Holz der Achse. Glücklicherweise war der Schlag nicht übermäßig laut und wurde zudem vom Geräusch des Regens verschluckt. Dennoch dauerte es eine Weile, bis George eine tiefere Kerbe in die Achse geschlagen hatte. Als der charakteristische Laut nachgebenden Holzes einsetzte, hielt George sofort in seiner Tätigkeit inne und schlüpfte unter dem Wagen hervor. Einen Augenblick lang fürchtete er, die Achse würde sofort brechen, doch das Geräusch verebbte.
Zufrieden mit seiner Arbeit brachte er die Axt an ihren angestammten Platz und schlich zurück in die Schenke, stetig die Treppe hinauf in den vertrauten Raum. Er freute sich über den hinreißenden Anblick des schlafenden Mädchens und auf die Wärme ihres Körpers in dieser regnerischen Nacht.
***
George erwachte schon vor dem Morgengrauen. Gähnend rieb er sich den Schlaf aus den Augen und richtete sich schließlich mit einer entschlossenen Bewegung auf. Er ging zum kleinen Fenster der Kammer und sah hinunter auf den Dorfplatz. Die Kutsche stand noch immer am selben Ort wie am Vortag. Anscheinend hatte es die Aristokratin nicht sehr eilig mit dem Aufbruch. Als George sich wieder umwendete, bemerkte er, dass das Mädchen bereits erwacht war. Verschlafen sah sie ihn an und lächelte. »Du bist schon wach?«
Georges Blick wanderte über ihren Körper, die kleinen, festen Brüste, den Schwung ihrer Hüften und die anmutigen Schenkel. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und registrierte, wie sie sich ihm langsam näherte und um einen Kuss bettelte. Er erfüllte ihr diesen Wunsch und nahm sie fest in die Arme. Ihre zarten Hände tasteten nach seiner Morgenlanze und George ließ sie nur zu gern gewähren.
»Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du mir eine Schüssel mit Wasser holst«, bat er sie nach einem kurzen, aber heftigen Zwischenspiel und gab ihr einen Klaps auf den aufreizend wackelnden Hintern.
Sie verließ kichernd die Kammer und kehrte fünf Minuten später mit der Schüssel zurück. Interessiert sah sie zu, wie George aus einer Tasche seiner inzwischen getrockneten Kleider einen Spiegel und ein scharfes Messer hervorzog. Mühsam begann er nun, sich die kräftigen, dunklen Bartstoppeln abzurasieren, die den unteren Teil seines Gesichts bedeckten. Lediglich der Schnauzbart und der Spitzbart am Kinn überlebten diese Prozedur.
Als George dieses gründliche Morgenritual beendet hatte und sich zu dem Mädchen wandte, sagte sie anerkennend: »Du siehst aus wie ein richtiger Edelmann.«
George freute sich über ihr Urteil, kämmte das lange Haar zurück über die Schultern und kleidete sich an. Mit einem mitgeführten Lappen wischte er sich die Reitstiefel ab und gab daraufhin dem Mädchen einen Kuss. Erst später würde ihr auffallen, dass es ein
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Richard Bergen - Alle Rechte vorbehalten.
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2020
ISBN: 978-3-7487-2827-6
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