Ich war von einer schweren Krankheit befallen.
Bis gestern am Mittag wusste ich noch nichts davon.
Meine langjährige Facebook-Freundin, Inka, informierte mich darüber.
Ich litt unheilbar an Pluviophilie!
Mir wurde ja schon einiges nachgesagt, in meiner Karriere als ganz normaler Mensch. Ich war angeblich schon pervers, ein Fetischist, ein Satanist, ein Sadist, ein Stalker und auch schon als Seelenfänger hatte man mich mittlerweile in Verdacht. Dabei schrieb ich nicht einmal Liebesromane!
Nachdem ich mich einige Minuten innerlich gesammelt und den ersten Schreck verdaut hatte, akzeptierte ich die neue Krankheit. Ein Schicksal zu akzeptieren, ist der beste und schnellste Weg mit diesem fertig zu werden. Inka würde mich ja niemals belügen oder mir eine Krankheit andichten, nur so aus Spaß an der Freud.
Ich traute mich auf das verwaistes Facebook-Konto und versuchte über Inka mehr über diese schwere Erkrankung herauszufinden. Inka war schlau und wusste immer, wo man die entsprechenden, informativen Links zu einem Thema fand.
Ich erfuhr schnell, dass ein paar übereifrige Wissenschaftler dem Ruf der verunsicherten Menschheit gefolgt waren und »die Liebe zu Regenwetter« wissenschaftlich als Pluviophilie bezeichnet hatten.
Und das sollte eine Krankheit sein?
Wo war die Liebe zu Regen denn eine »Krankheit«?
Wofür bekamen die Wissenschaftler noch alles Geld?
Und, wie konnte man so beknackt sein und die Liebe zu Regen überhaupt mit einem wissenschaftlichen Wort belegen? Hatten die nichts anderes zu tun, als MEINEN geliebten Regen mit so einem ordinären und fast schweinischen Wort zu betiteln, nur, damit es die Menschen mal wieder für sich einordnen und damit umgehen konnten?
Das Wort hörte sich irgendwie nach »nasser Muschi« an!
Inka und ich kannten uns schon sehr viele Jahre und sie war eine der wenigen intelligenten Menschen in meinem Leben, die sich wirklich für Freunde, deren Interessen und Vorlieben interessierten. Und sie war nicht linkisch!
Sie wusste auch, dass ich Regenwetter und Tauben über alles liebe. Ich hatte es unter Freunden, Bekannten, fremden Leuten während eines Spaziergangs und auch in sozialen Netzwerken schon einige Male ausposaunt, das mit der Regen-Liebe.
Und jetzt sollte es noch mehr Menschen geben, die Regen liebten? Vielleicht verwechselten da Leute etwas mit dem Begriff »Urophilie«.
Auf so etwas stand ich dann doch nicht. Mir war alles zuwider, was mit Unterwerfung zu tun hatte.
Ich fand auch schon Leute, im virtuellen und nicht-virtuellen Leben, die auf meine Liebe zu Regen antworteten, »ach, ich mag Regen eigentlich auch ganz gerne. Ich laufe dann mit meinem Mann und dem Hund und einem Regenschirm bewaffnet über den Flussdamm!«.
Leute, ich war Hardcore, was das anging.
Mit einem Schirm? Wozu einen Schirm, wenn es regnet?
Als Kind hatte ich schon meine schwere Erkrankung, meine Perversion!
Ich wurde unruhig, wenn ich nur Regenwolken aufziehen sah. Mutter wusste, was los ist mit mir. Sie machte sich schon einmal auf eine Extra-Schicht am Kondenstrockner gefasst.
Sobald ich dann die ersten Tropfen Regen auf dem Fensterbrett hörte und die Tauben mich darüber informiert hatten, dass es anfing zu regnen, zog ich mich an, ließ den Regenschirm, entgegen der Forderung meiner Mutter, im Schirmständer stehen und war weg!
Ich klingelte bei meiner Freundin, Heike. Sie zog sich an, ließ ihren Regenschirm stehen, ihre Mutter bereitete schon einmal ihren Kondenstrockner vor und wir waren draußen. Entweder sprangen wir in den Pfützen herum oder wir fuhren mit den Fahrrädern hindurch und stürzten uns anschließend kopfüber in die dickste, verfügbare Pfütze.
Und wehe, es hörte gleich wieder auf zu regnen!
Als Jugendlicher lief ich dann bei krachendem Gewitter in einem dicken, schwarzen Mantel durch den Regen. Die Leute im Dorf, die allesamt aus Zucker zu sein schienen, standen kopfschüttelnd hinter ihren Gardinen und konnten es nicht fassen, dass der Satanisten-Sohn des alten Herrn D. mal wieder absonderlich, perverse Dinge tat. Mit IHRER Tochter sollte DER nicht verkehren. Und deren SOHN auch nicht!
Als ob ich Interesse an den Nachkommen solch einer verschrobenen, engstirnigen Dorf-Gesellschaft hatte.
Deswegen wurde ich auch nie Mitglied in irgendeinem Verein. Ich hasste Vereinsmeierei! Mit ihren altmodischen Satzungen und ihren unbegründeten Mitgliedsbeiträgen. Mit dem ersten Vorstand, der sauer darüber war, dass der Gründer sich angeblich an der Vereinskasse vergriffen haben soll. Und dem zweiten Vorstand, der auf den ersten Vorstand neidisch war, weil er meinte, es besser und schlauer machen zu können, als dieser.
Ich konnte mir keinen Verein für »Pluviophile« vorstellen. Wie sollte der Mitgliedsbeitrag aussehen? Einen Kasten mit 6 x 1,5 Liter frischem Regenwasser pro Monat? Bei Vorauszahlung von 5 Kästen gibt es einen Mitgliedsmonatsbeitrag kostenlos?
Und wäre der Vorstand oder die anderen Mitglieder sauer auf mich, wenn ich nicht vollkommen durchnässt, sondern nur leicht feucht zu den Treffen käme? Nein danke!
Ich war nicht die Spur pervers!
Manchmal ging ich nachts noch bei Regenwetter hinaus. Ging an der Pferdekoppel am Flussdamm entlang. Die Pferde hatten keine Vorurteile. Sie standen einfach nur so da, aßen ihr Heu und blickten mit ihren wunderschönen, klaren Augen vor sich hin. Und ich war mit diesen wunderbaren Geschöpfen dort ganz alleine. Konnte ganz alleine MEINEN geliebten Regen genießen!
Oft überkam es mich dann da oben auf dem Flussdamm. Ich hatte das Bedürfnis mich ganz splitternackt auszuziehen und in den prasselnden Regen zu stellen. Mit den nackten Füssen über den warmen Asphalt da oben auf dem Damm zu gehen. Mit dem erfrischenden Regen und dem Wind am Körper.
Ich hatte oft überlegt das mal zu machen. Doch ich ließ es dann immer sein.
Ich wollte die Stuten nicht erschrecken und die Hengste sollten nicht neidisch werden!
Ich und krank! Ich und pervers! Das ich nicht lache! Ich bepinkele mich gleich von oben bis unten vor Lachen!
Texte: Ralf Dellhofen
Lektorat: Ralf Dellhofen
Satz: heiße Ohren!
Tag der Veröffentlichung: 07.10.2017
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Gewidmet meinem über alles geliebten Regen, allen Tauben, meiner langjährigen Facebook-Freundin, Inka Reitzel und meinen Lesern und Freunden auf Bookrix...und ja, allen Pferden natürlich auch! Photo by JKC3 and Alexas_Fotos via pixabay