Der Frieder soll sich dran gewöhnen,
dass niemand seine Kraft mehr braucht.
Der Sprachgebrauch sucht das zu schönen,
doch klingt es eisekalt durchhaucht.
Man hat ihn „freigesetzt“. Oho,
er wollt’ so frei doch gar nicht sein.
Geld für den Hüttenmann, so, so,
dass er nichts schafft. Ihm macht das Pein.
Was waren das für tolle Zeiten,
als Deutschland Arbeitskräfte rief.
Die Menschenströme konnt’ man leiten
von Süd nach Nord, ganz breit und tief.
Für jeden gab es da Verwendung.
Wer es nur wollt’, hatt’ auch zu tun.
Heut scheint das reine Zeitverschwendung.
Es läuft scheint’s auch, wenn Hände ruh’n.
Der Frieder sieht sich nicht alleine
als Kostenfaktor im Betrieb.
Er möchte Kopf und Herz und Beine
gebrauchen, ja das wär ihm lieb.
Er will nicht nur von Wohlfahrt leben.
Es liegt ihm nicht, nur Last zu sein.
Die Arbeit hat ihm Schwung gegeben,
verlieh ihm Wert, gab Halt und Heim.
Du bist ein Mensch - mit Job und ohne,
das sagt sein Pastor. Henner glaubt
dem frommen Mann, denn eine Drohne
gehört ja auch zum Bienenhaupt.
Doch will er einfach nicht kapieren,
wieso der Wert von Aktien steigt,
wo Tausende den Platz verlieren,
die Einsatz noch und noch gezeigt.
Das Menschen-Kapital bringt Zinsen,
wenn ausgemustert werden Leute.
Mir geht, sagt Frieder, in die Binsen,
mein Rest Verstand. Was ist das heute?
Kein Platz für Frieder und Millionen!
Da klingt’s wie eine Zeitungsente,
dass dort, wo die Japaner wohnen,
gibt’s oft viel später erst die Rente.
Wer will, kann bleiben im Getriebe,
bis ihm das Werkzeug wird zu schwer.
Um Alte buhlen die Betriebe:
Kommt, bringt eure Erfahrung her!
Bald könnten Fachkräft’ wieder fehlen,
das zeigt der Blick ins ferne Land.
Dann dürfen selbst die Alten wählen,
gewähr’n der Firma ihre Hand.
Die man mit Fünfundvierzig schasste,
die werden dann umworben gar.
Einst wird man lieben, wen man hasste,
läßt schaffen bis sie siebzig Jahr.
Als Henner und Frieder hier aufgestellt,
schien sie noch ordentlich unsere Welt.
Der Kaiser regierte im fernen Berlin,
der sah nichts von Stadt und Land Siegen.
Da kam Hohenzollern kaum einmal hin,
ließ andere Pläne hoch fliegen.
Im Bergbau, im Stahlwerk gabs Arbeit und Brot.
Wer arbeiten konnte, der litt keine Not.
Den Kaiser plagt Großsucht. Ein Weltkrieg zog auf.
Manch Henner und Frieder zog mit und ging drauf.
Die Rüstung verdiente und wurde besiegt,
gekränkt ist des Groß-Reiches Stolz.
Die Rechnung ha'm Henners und Frieders gekriegt.
Der Ex-Kaiser hackte sein Holz.
Die kleineren Leut konnten hungern und friern.
Warum mussten sie auch den Gaskrieg verliern?
Zur Weimarer Zeit spielten alle verrückt.
Kein Mensch hat politisch mehr durchgeblickt.
Den Henner zogs rechts und den Frieder nach links.
Die Straße beherrschte, wer schoss.
Bei Kirchens versuchte sich mancher als Sphinx.
Der Glaube verschanzt sich im „Schloss“.
Das Geld wurde billig und teuer das Gut.
Hütten- wie Bergmann packt Elend und Wut.
Das nützten die braunen Verführer ganz schnell.
Sie waren bereit und längst schon zur Stell.
Verzweiflung und Herrentum lechzen nach Sieg.
Der Henner erhoffte das Heil.
Der Führer reißt alle Welt tief in den Krieg.
Den Frieder zerspaltet ein Keil.
Zerbombt liegt die Stadt, die Menschen in Trauer,
Millionen vergast, das Volk trennt die Mauer.
Aus dunkelsten Tiefen erhob sich das Land,
wurd recht demokratisch und Größenwahn schwand.
Den Arm reckt empor, wer noch einen hat,
fasst Mut, baut auf und baut aus.
Die Trümmerfrauen schaffen sich matt.
Im Chaos wächst neu unser Haus.
Kein Henner fährt hier zu Land ein in den Schacht,
doch Frieder schmilzt Erze bei Tag und bei Nacht.
Der Lauf nächster Jahre vermindert die Kraft.
Der Aufschwung steht längst nicht mehr so voll im Saft.
Das Bergwerk ist dicht, ihm fehlt der Gewinn.
Kaum Stahlwerke sind hier geblieben.
Im Hauberg schafft Henner. Der Frieder sucht Sinn,
bewirbt sich pro Woche mal sieben.
Es muss sich doch lohnen auf Arbeit zu gehn.
Er hofft einen Silberstreif nochmal zu sehn.
Die harten Faktoren, die Schwerindustrie,
den Wettbewerb „Billig“ gewinnen sie nie.
Was bleibt sind die neueren Technologien,
die Medien, die Kunst und Hi-Tech.
Was früher als weich ja als brotlos verschrien,
schafft Arbeit und bringt uns vom Fleck.
Wenn Henner und Frieder den Grips lassen blühn,
dann werden des Siegerlands Höhn wieder grün.
Texte: Bildernachweis: http://sta-siegen.nrw.de (3) von Viola Winkelmann und Friedhelm Schmidt
Tag der Veröffentlichung: 21.12.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dem menschlichen Siegerländer Urgestein