E r z ä h l u n g
von
Claus H. Stumpff
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Jan Claasen, Leuchtturmwärter und Heimatforscher der Insel Amrum, erzählt seinen Besuchern vom Strandraub und Piraterie in der Nordsee in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dabei erfahren sie auch Einzelheiten zu Henning Feddersen, den man auch als »Henker-Käpt’n« bezeichnete und der durch seine Brutalität unter den Seefahrern Angst und Schrecken auslöste. Nur Fokko Claasen, ein mutiger Mann aus der bunt zusammengewürfelten Mannschaft des Zweimastschoners »LÜTTJE DEERN«, war schließlich nicht mehr bereit, sich den nur auf diesem Schiff herrschenden, menschenverachtenden Gesetzen ihres gewalttätigen Anführers zu beugen. Es kommt zu einer folgenschweren Konfrontation, als eine junge Frau vor dem sicheren Ertrinken gerettet und an Bord genommen wird.
Das Piratentum ist so alt wie die Seefahrt. Unzählige historische Schriften berichten davon. Andererseits gibt es viele spannende Seeräuber-Romane, die aber mit der Realität kaum etwas zu tun haben.
Es ist mir daher ein Anliegen, diesem Klischee etwas ganz anderes gegenüberzustellen, nämlich die Geschichte des Freibeutertums und der Strandräuberei vor den Nordsee-Inseln, und zwar im zu Ende gehenden 19. Jahrhundert. In nachfolgender Erzählung wurden die Handlungsabläufe realitätsnah dargestellt.
Claus H. Stumpff
Auf Amrums Leuchtturm
Trotz des stürmischen Nachmittags stiegen fünf Touristen schnaufend die 297-stufige Wendeltreppe des Amrumer Leuchtturms empor. Ein Mann um die Dreißig mit Glatze und blondem Dreitagebart, sein etwa zwölf Jahre alter Sohn, ein älterer, grimmig dreinblickender Mann mit dunkelroter Baseballkappe und schwarzem Rollkragenpulli, eine junge, rothaarige Frau in hellblauen Jeans und weißem Anorak, sowie ein recht dicker Stabsfeldwebel der Bundeswehr in seiner schicken Ausgehuniform. Oben angekommen empfing sie ein kraftvoller Mann mit grauem Vollbart, der auf seinem rundem Kopf die auf den Nordseeinseln übliche, dunkelblaue Schiffermütze trug. Er lächelte allen freundlich zu und begrüßte sie mit nordfriesisch gefärbter Aussprache:
»Also, ich heiße Jan Claasen und euch gleichzeitig auch im Namen der Inselgemeinde Nebel herzlich willkommen.«
Alles lachte über diese witzige Begrüßungsformel. Dann fuhr der Mann heiter gelaunt fort:
»Ich bin hier so was wie’n Leuchtturmwärter, obwohl es den schon seit 1984 nicht mehr gibt. Seitdem läuft hier nämlich alles vollautomatisch ab.«
Zunächst erläuterte Jan Claasen ausführlich die technische Funktion des Beleuchtungsapparats und erklärte dann weiter:
»Der Leuchtturm hat eine Höhe von 41,8 Metern und erfüllt die Aufgabe eines Seefeuers. Dieses reicht 23,3 Seemeilen weit, das sind ungefähr 38 Kílometer.«
»Zu welchem Zweck und wann hat man diesen Leuchtturm errichtet?«, erkundigte sich die rothaarige Frau.
»Tja, es muss so gegen 1868 gewesen sein. Da waren nämlich drei Frachtschiffe zwischen Amrum und Sylt im Sturm gestrandet, ein Großteil des Schiffsguts fiel Strandräubern in die Hände. Daraufhin beschloss man den Bau dieses Leuchtturms, der schließlich 1875 fertiggestellt wurde. Diese Maßnahme war auch dringend erforderlich, weil nämlich der Strandraub überhand nahm.«
Der Zwölfjährige rief begeistert: »Strandräuber? Waren das Piraten, etwa so wie der Claus Störtebecker?«.
»Nee, nee min Jong«, verfiel Claasen zunächst ins Plattdeutsche, bemühte sich aber gleich wieder um ein verständlicheres Hochdeutsch. »Das mit den Piraten oder Freibeutern, wie man sie hier nennt, das war ’n ganz anderes Ding. Solche Kerle trieben schon seit Urzeiten auf allen Weltmeeren ihr Unwesen. Aber in unserer Gegend, also auf der Nordsee, tauchten die erstmals wieder auf, als der Leuchtturm seine Arbeit aufgenommen hatte.«
»Was hatte denn das mit dem Leuchtturm zu tun?«, wollte der Mann mit der roten Baseballkappe wissen.
Jan Claasen schaute plötzlich auf seine Armbanduhr. »O, tut mir leid, liebe Leute. Ich muss jetzt den Turm zusperren. Aber wenn ihr wollt, dürft ihr mich morgen gern zuhause besuchen. Dann könnte ich euch nämlich eine Menge über Strandraub und Piraterie in dieser Region erzählen. Übrigens wohne ich in dem Häuschen dort unten, das mit den grünen Fensterläden.« Er deutete mit ausgestreckter Hand in Richtung Hafen auf ein reetgedecktes Gebäude. »Gleich nebenan befindet sich auch ›Claasens Fischbude‹. Vielleicht hat dort der eine oder andere von euch schon mal fangfrischen Seefisch gekauft.«
»Sie sind wohl hauptberuflich Fischer«, meinte der Stabsfeldwebel, während alle die steile Wendeltreppe hinabstiegen.
»Wie man’s nimmt. Nach einem abgebrochenen Studium verschlug es mich auf Amrum, wo ich lange Zeit als Krabbenfischer auf See fuhr. Jetzt schippert mein ältester Sohn übers Wasser. Er und seine Frau Antje betreiben das kleine Fischgeschäft; nebenbei verkaufen sie noch ein paar Kleinigkeiten für die Urlaubsgäste. Ich bin schon eine Weile in Rente, mache die Führungen auf dem Leuchtturm und betreibe außerdem noch ein bisschen Heimatforschung. Und dabei konnte ich eine ganze Menge brisanter Tatbestände in Erfahrung bringen.«
Unten vor der Turmtür erkundigte sich die Rothaarige:
»Darf man Sie tatsächlich zuhause aufsuchen?«
»Na klar!«, freute sich Claasen, während er die schwere Eisentür absperrte. »Nur zu gern erzähle ich Inselgästen einiges über Henning Feddersen, den grausamsten Piraten der Nordsee, dem man auch den Spitznamen ›Henker-Käpt’n‹ gab. Ihr solltet aber nicht erschrecken, wenn ihr zwischen dem Eingang meines Hauses und der Fischbude einen Seeräuber sitzen seht. Der ist jedoch absolut ungefährlich.« Claasen grinste. »Der besteht nämlich aus Holz, ist aber trotzdem eine historische Persönlichkeit, wie ihr vielleicht noch erfahren werdet.«
Daraufhin einigte man sich auf ein Treffen vor der Fischbude am folgenden Vormittag um zehn Uhr.
Besuch beim Leuchtturmwärter a.D.
»Tja, das da ist Fokko Claasen«, erklärte Jan Claasen seinen Besuchern, die neben dem Hauseingang eine fast lebendig wirkende Skulptur bestaunten. »Der schaut zwar schon etwas mitgenommen aus, aber sitzt nun mal bei Wind und Wetter draußen vor der Tür. Ihr werdet es nicht glauben, wenn ich euch sage, dass es sich um einen meiner Urgroßväter handelt.«
Die Besucher betrachteten die mannsgroße, aber sitzende Figur. Der Herr mit der Baseballkappe wiegte zweifelnd den Kopf:
»Der Kerl sieht Ihnen aber gar nicht ähnlich!«
Alles lachte.
»Da bin ich aber froh, wenn auch Sie das finden. Aber Spaß beiseite. Ein Holzbildhauer aus Sylt schuf diese Skulptur vor einigen Jahren, nachdem beim Abbruch einer baufälligen Kate eine antike Seemannskiste mit höchst brisanten Dokumenten zum Vorschein kam.
»Also die gleiche Kiste, auf der der Typ da draußen sitzt«, konstatierte der glatzköpfige Mann.
»Nee«, entgegnete Jan Claasen schmunzelnd, die echte steht jetzt in unserem Heimatmuseum. Aber nun treten Sie erst mal ein in meine bescheidene Hütte!«
Als endlich alle Platz gefunden hatten, ergriff Jan Claasen wieder das Wort:
»Was alles aus dieser ollen Kiste zum Vorschein kam, verschlug mir die Sprache. Aus Überlieferungen geht zwar hervor, dass es auf den Nordseeinseln noch Mitte des 19. Jahrhunderts Strandräuber gab, aber viel mehr darüber wurde mir nie bekannt. Als Heimatforscher machte ich mich sogleich an die Arbeit. In den Gerichtsakten des Herzogtums Holstein war zu lesen, dass 1872 ein Fokko Claasen auf Amrum wegen ›Likedeelerei‹ zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Da bin ich neugierig geworden. Dem hiesigen Kirchenbuch entnahm ich schließlich, dass es sich bei diesem Claasen tatsächlich um meinen Urgroßvater handelte.«
»Das ist ja unglaublich!«, meinte die rothaarige Frau. »Bitte erklären Sie noch, was man unter ›Likedeelerei‹ versteht.«
»Als ›Likedeeler‹, zu Hochdeutsch ›Gleichteiler‹, bezeichnete man schon seit dem Mittelalter Inselbewohner, die sich die Ladung gestrandeter Schiffe aneigneten und untereinander aufteilten. Sie taten das ohne jedes Unrechtsbewusstsein, denn ihre Existenznot war unbeschreiblich. Einige schreckten sogar nicht vor Mord an den gestrandeten Seeleuten zurück.«
»Und Ihr Urgroßvater, was hatte der angestellt? Der war vermutlich kein Mörder, denn sonst wäre er wohl kaum mit drei Jahren davongekommen?«, bestimmte der Glatzkopf.
»Da haben Sie recht, er war sogar ein guter Mensch. Eines Tages befreite er die Nordsee von einem der grausamsten Piraten.«
»Mann, nun erzählen Sie schon!« drängte der Zwölfjährige.
»Nur schön langsam, mein Junge!«, beschwichtigte ihn Claasen. »In dem Koffer fand ich Ausschnitte aus uralten Tageszeitungen, in denen über den Prozess berichtet wurde. Darin wurde ein Fischer Fokko Claasen detailliert beschrieben, mit seinen langen, grauen Haaren, seiner zerschlissenen Bekleidung und so weiter. Das alles diente einem Holzschnitzer als Vorlage, so dass ich davon ausgehe, dass die Skulptur da draußen meinen Urgroßvater ziemlich realistisch darstellt.
Dieser Fokko Claasen und seine schwerkranke Frau konnten vom Fischfang allein nicht leben. In seiner Not schloss er sich schließlich einer Gruppe junger Männer an, die nach einem Schiffsunglück angeschwemmten Waren stahlen und es an Hehler verkauften, sofern kein Eigenbedarf bestand. Allmählich entwickelte sich daraus ein recht einträgliches, allerdings äußerst kriminelles Gewerbe. Nach der Plünderung eines am Strand zerborstenen Frachtschiffs hatte jemand meinen Urgroßvater verpfiffen. Er wurde vom Strandvogt inflagranti geschnappt, der Polizei übergeben und wanderte dann für drei Jahre ins Gefängnis.
Während seiner Abwesenheit begingen seine Kumpane weitaus schlimmere Verbrechen. Durch falsche Positionierung der damals üblichen Küsten-Leuchtfeuer lockten sie nachts in Seenot geratene Schiffe in Gefahrenzonen. Dort strandeten sie und zerbarsten in den gewaltigen Wellenbergen. Die mit Pistolen, Säbeln oder Äxten bewaffneten Räuber fielen über die Gestrandeten her, erschlugen oder erschossen sie. Man hat die Täter nie erwischt.
1875 wurde unser Leuchtturm in Betrieb genommen. Das bedeutete das Ende der Strandräuberei, denn nun verlor kein Schiff mehr die Orientierung und konnte sicher den nächsten Hafen erreichen. Daraufhin wandten sich viele ehemaligen Likedeeler der Piraterie auf See zu.
Im gleichen Jahr wurde Fokko Claasen aus der Haft entlassen und stand vor dem absoluten Nichts. Den Fischerkahn hatte seine Frau noch kurz bevor sie starb verkauft. Das Reetdach seiner Kate war inzwischen durch Sturm und Regen durchlässig geworden, so dass der einzige Raum unbewohnbar war. Keiner der ein eigenes Schiff besitzenden Fischer wollte einen ehemaligen Knastbruder mit auf Fang nehmen. Andererseits wagten sich viele Fischer nur zögernd auf See hinaus, denn neuerdings hatte man auch vor den Nordseeinseln wieder Piraten gesichtet.«
»Wie konnten aus einstigen Strandräubern plötzlich Seeräuber werden?«, wollte der glatzköpfige Mann wissen.
»Ganz einfach. Die jungen Männer, denen nun jegliche Existenzmöglichkeit abhanden kam, hofften darauf, in größeren Hafenstädten auf einen der großen Fischkutter angeheuert zu werden. In berüchtigten Hafenkneipen wurde sie nicht selten mit zwielichtigen Schiffseignern handelseinig. Zu spät bemerkten sie, ungewollt Mitglied einer Seeräuberbande geworden zu sein und sich somit dem Kapitän eines Piratenschiffs auf Gedeih und Verderb ausgeliefert hatten.«
Dem Zwölfjährigen sah man seine Neugier an.
»Hatten die denn auch richtige Kanonen und so?«
Jan Claasen schmunzelte.
»Du erwartest sicher, von mir etwas über Seeschlachten zu hören, wie sie noch bis ins 18. Jahrhundert auf allen Weltmeeren ausgetragen wurden und die man in Piratenromanen großartig beschrieb. Nee, mein Junge, da muss ich dich leider enttäuschen. Derartige, mit Kanonendonner ausgetragene Scharmützel gehörten mit Beginn der Dampfschifffahrt der Vergangenheit an. Allerdings besaßen die Seeräuber zur Zeit Fokko Claasens ein paar flotte Boote, mit denen sie Kaperfahrten durchführten. Sie hatten es dabei auf kleinere Frachtschiffe und Passagierdampfer abgesehen, die sie enterten und ausraubten. Wer von den Überfallenen sich widersetzte, wurde auf der Stelle umgebracht.«
»Was hinderte die Inselfischer daran, trotz allem auch weiterhin Fischfang zu betreiben?«, fragte der Vater des Jungen. »Die Seeräuber hatten bestimmt kein Interesse an ein paar Körben voller Krabben. Was hatten denn die Fischer schon groß zu verlieren?«
»O, eine ganze Menge!«, konterte Jan Claasen, »nämlich ihr Leben! Auf den Schiffen der Freibeuter, wie man sie auch nannte, herrschten oft Krankheit und Elend. Wenn ein Mitglied der Besatzung starb, musste es sofort ersetzt werden. Und dafür brauchte man junge, starke und seetüchtige Männer, wie es zum Beispiel die Fischer waren. Wer sich dann weigerte, auf ein Piratenschiff umzusteigen, büßte sein Leben ein.«
»Was geschah denn nun weiter mit Fokko Claasen?«, fragte der Stabsfeldwebel.
»Tja, der war also auf Arbeitssuche, als er 1875 aus dem Knast entlassen wurde. Er schlug sich irgendwie nach Hamburg durch. In einer Kneipe auf der Reeperbahn lernte er einen Kapitän namens Henning Feddersen kennen. Nach seinen Tagebucheinträgen muss das ein Hüne von Mann gewesen sein. Fokko hatte keine Ahnung, dass es sich bei ihm um den berüchtigten ›Henker-Käpt’n‹ handelte. Der versprach Fokko eine gute Heuer und lud ihn auf seinen Zweimastschoner »LÜTTJE DEERN« ein. Arglos folgte Fokko der Einladung. Aber kaum war er an Bord, da hieß es ›Leinen los‹ und mein armer Urgroßvater wurde unfreiwillig Mitglied einer widerwärtigen, brutalen Seeräuberbande.«
»Woher wissen Sie denn das alles?«, meldete sich die Rothaarige zu Wort.
»Nun, die alte Seemannskiste enthielt unter allerlei Krempel auch einige Tagebücher Fokkos. Vieles darin wurde inzwischen unleserlich, doch zum Glück nicht alles. Aber wie diese Kiste auf die Insel Amrum kam, ist und bleibt wohl ein Geheimnis.«
»Und was hatte Fokko über seine Erlebnisse auf der »LÜTTJE DEERN« notiert?«, fragte sie weiter.
»Gute Frage. Auch auf der »LÜTTJE DEERN« galt vermutlich – wie es auf Seeräuberschiffen allgemeine Praxis war – ein sogenannter Piraten-Codex. Dieser beinhaltete Rechte sowie Pflichten der Schiffsbesatzung. So wurde genau festgelegt, wie die Beute zu verteilen war. Der Kapitän verlangte absoluten Gehorsam. Jeder Verstoß gegen seine Weisungen konnte mit dem Tode bestraft werden. Wer eine Frau mit an Bord schmuggelte, musste befürchten, gemeinsam mit ihr über Bord geworfen zu werden. Wer einen anderen an Bord bestahl oder betrog, hatte ebenfalls den Tod verdient. Streitigkeiten an Bord waren verboten und durften erst nach Landgang mit Fäusten oder Waffen ausgetragen werden.«
Jetzt meldete sich der Stabsfeldwebel zu Wort:
»Sie erwähnten vorhin, dass Fokko Claasen die Nordsee von einem der grausamsten Piraten befreite. War das etwa dieser Henning Feddersen?«
»Darauf komme ich gleich zu sprechen.«
Er nahm ein zerfleddertes Heft vom Tisch.
»Hier hatte Fokko folgendes eingetragen, leider ohne Datum. Aber es könnte so um die Jahre 1886 oder 87 gewesen sein.«
»Konnte so einer wie der überhaupt lesen und schreiben? Ich dachte, der war nur ein einfacher Fischer«, unterbrach ihn der junge Soldat.
»Irrtum! Fokko war in jungen Jahren Lehrer, was meine heimatkundlichen Nachforschungen ergaben. Nach dem Krieg mit Dänemark 1866 war das Herzogtum Holstein pleite und konnte die Lehrer auf den Inseln nicht mehr bezahlen. So musste sich auch Fokko Claasen durch Strandräuberei über Wasser halten. Aber nun hört mal, was sich mein Urgroßvater so alles notiert hatte:«
Fokko Claasens Bericht
über den Henker-Käpt'n Henning Feddersen
Heute morgen machten wir wieder mal fette Beute. Das kleine Dampfschiff »WESTERLAND« befand sich auf der Fahrt von Husum nach Sylt. Er war vollgestopft mit vielen wohlhabenden Leuten. Dichter Nebel lag über der ruhigen See und so war das Entern des Dampfers ein Kinderspiel. Mich hatte Henning Feddersen ans Ruder gestellt, was keine schwere Aufgabe war. Er selber leitete wie immer die ganze Aktion, wobei zunächst nur in die Luft geschossen wurde, um Angst und Schrecken zu verbreiteten. Der Kapitän und seine Maate waren unbewaffnet; sie wehrten sich nach Kräften. Alle schlugen mit Stühlen und anderen greifbaren Gegenständen wild um sich, während sich die Passagiere in Todesfurcht unter Tischen und Bänken verkrochen. Schließlich gelang es unseren Leuten, den Kapitän und seine Getreuen zu fesseln und auf die »LÜTTJE DEERN« umzuladen. Die Fahrgäste dagegen wurden aufgefordert, sich in Reih und Glied aufzustellen, worauf sie erst dann gehorchten, als Henning Feddersen einen älteren Mann auf die Knie zwang und ihm mitten in die Stirn schoss. Das ergab zunächst ein furchtbares Geheule und Gejammere, aber schließlich rückte doch ein jeder widerwillig alles heraus, was er an Wertsachen bei sich trug.
Der Überfall hatte nur eine knappe halbe Stunde gedauert. Bevor unsere Leute die gekenterte WESTERLAND verließen, wurde der Anker ausgeworfen, denn wir wollten verhindern, dass das Schiff abtrieb und schon bald von anderen Booten gesichtet wurde. Die Ankertiefe beträgt hier zum Glück nur etwa 15 Meter.
Die »LÜTTJE DEERN« nahm danach Kurs aufs offene Meer. In den nun folgenden Stunden erfuhr ich erstmals, was es mit Feddersens Spitznamen ›Henker-Käpt’n‹ auf sich hatte:
Die noch gefesselten Gefangenen der »WESTERLAND« mussten sich an der Reling nebeneinander aufstellen. Dann brüllte sie Feddersen an:
›Nun müsst ihr am eigenen Leib spüren, was mit denen geschieht, die sich meinen Befehlen widersetzen. An die Haken mit euch!‹
Der Kapitän der »WESTERLAND« und seine Mitgefangenen flehten um Gnade, allerdings kannte Feddersen kein Erbarmen. Einem nach dem andern legte Jens Büssenschütt, der Vertraute Feddersens, einen Strick um den Hals. Dann wurden sie von vier erwählten Piraten an nur zu diesem Zweck in der Takelage vorgesehenen Haken aufgehängt. Zum Glück bediente ich wieder das Ruder und brauchte nicht mitzumachen.
Die ganze Schiffsbesatzung feierte die erfolgreiche Kaperung mit einem Besäufnis. Dazu erklangen die Misstöne aus heiseren Kehlen gegrölter Seemannslieder. Alle soffen fast bis zur Besinnungslosigkeit. Allerdings betranken mein Kumpel Uwe und ich uns nicht richtig. Wir taten nur so, denn wir beide lehnten derartige Saufgelage stets ab. Leider konnten wir es nicht verhindern, dass den tot am Gestänge baumelnden Männern die geleerten Flaschen an den Kopf geworfen wurden. Die Leichen blieben bis in die frühen Morgenstunden hängen, dann wurden sie unter fröhlichem Gejohle ins Meer geworfen.
Wir verbrachten den Tag über in unseren Kojen. Plötzlich trat ein schwerer Sturm auf. Wir rafften alle Segel und bereiteten uns auf das Schlimmste vor. Da sahen wir direkt vor uns ein Rettungsboot im Wasser treiben. Die Riemen in den Dollen fehlten. Eine junge Frau lag leblos auf dem unter Wasser stehenden Bootsboden; anscheinend war sie verletzt oder gar tot. Das Boot trug den Namenszug »WESTERLAND«, stammte vermutlich von dem gestern gekaperten Dampfer. Was war da passiert? Sollten wir helfen? Käpt’n Feddersen schlief noch immer seinen Rausch aus. Jeder von uns wusste zu genau, dass ohne dessen ausdrückliche Anordnung so gut wie nichts unternommen werden durfte. Ich war zum Dienst auf Deck eingeteilt und fühlte mich verpflichtet, Hilfe zu leisten. Ich ersuchte meinen Kumpel Uwe, der jetzt das Ruder bediente, beizudrehen. Der schüttelte zunächst bedenklich den Kopf, kam dann aber meiner Bitte nach. Nun schwang ich mich über Bord, kletterte das Fallreep hinab, packte die Frau mit der rechten Hand und zog sie an mich. Zwei der wie ich zum Piratendienst gezwungenen Leute hatten den Mut und hievten uns beide an Bord. Die Gerettete schlug kurz die Augen auf; sie lebte also noch. Der Quartiermeister Nils und ich legten sie behutsam in meine Hängematte, wo sie gleich wieder die Augen schloss und fest einschlief.
Alle an der Rettung der Frau Beteiligten wussten von der Gefahr, der sie sich ausgesetzt hatten. Aber zum Glück bestand die Besatzung nicht ausschließlich aus üblen Burschen oder gar Mördern, von denen es hier freilich auch einige gab. Als ich erstmals die »LÜTTJE DEERN« betrat, entdeckte ich zu meiner großen Überraschung meinen einstigen Zellengenossen Uwe Sanders. Der war früher einmal wie ich Lehrer, allerdings auf Sylt. Auch er betrieb Strandraub und wurde wie ich verpetzt und eingesperrt. In den drei Knastjahren wurden wir gute Freunde. Genau wie ich hatte auch Uwe hatte nicht geahnt, von einem Piratenkapitän angeheuert worden zu sein. Er hatte bereits Freundschaft mit Nils Tietjens, dem Quartiermeister, geschlossen. Und der wiederum war befreundet mit Fietje Kamphusen, dem Schiffszimmermann. Bald bildeten wir vier eine richtige Klicke unter den vielen heruntergekommenen Kerlen, die uns misstrauisch beobachteten. Aber wir hatten die Nase gestrichen voll von diesem Feddersen und seiner Brutalität. Gestern war es bereits das vierte Mal innerhalb eines Monats, dass ›Henker-Käpt’n‹ mehrere Seeleute eines von uns gekaperten Schiffs aufhängen ließ. Gab es wirklich keine Möglichkeit, diesem Kerl endgültig das Handwerk zu legen? Da hatte Nils Tietjens eine Idee:
Nils hatte mehrere Jahre als Unteroffizier im herzoglich-holsteinischen Heer gedient und dort die Verantwortung für das Waffenmagazin gehabt. Da er ein muskulöser Mann war, verschaffte er sich bald den Respekt des ›Henker-Käpt’ns‹, der ihm sogar den Schlüssel zum Waffendepot überließ. Darin gab es für jeden aus der Mannschaft ein separates Fach für seinen Revolver, für dessen Pflege und jederzeitige Schussbereitschaft er zu sorgen hatte. Feddersen kontrollierte häufig deren Zustand. Im Fall von Beanstandungen gab es stets die Peitsche. Nils gelang es gleich nach dem Überfall auf die »WESTERLAND«, in allen dort aufbewahrten Revolvern die Trommelmagazine zu leeren, mit Ausnahme der für uns bestimmten Waffen, die er unbemerkt an sich nehmen konnte.
Die junge Frau war inzwischen aus ihrem Tiefschlaf erwacht. Nachdem wir ihr zu essen und zu trinken gegeben hatten, berichtete sie Nils und mir, was alles passiert war:
›Ich stand unmittelbar neben meinem Papa, als ihn dieser Unmensch erschoss. Ich befürchtete, als nächste an der Reihe zu sein. Das dachte wohl auch einer der jungen Matrosen. Er ließ eines der kleinen Rettungsboote hinab, riss mich an sich und sprang mit mir ins eiskalte Wasser. Mir gelang es gerade noch, mich in das Boot zu hineinzurollen, als eine riesige Welle über uns hinwegschwappte. Leider war danach von dem mutigen Matrosen nichts mehr zu sehen; die »WESTERLAND« war längst im Nebel verschwunden. Zum Rudern fehlten die beiden Riemen, die vermutlich mit der Welle über Bord gingen. So konnte ich nur darauf hoffen, dass mich irgendein Schiff entdeckte. Obwohl das Wasser im Boot ziemlich hoch stand, musste ich mich flach auf den Bootsboden legen. Da bin ich wohl aus Erschöpfung eingeschlafen.‹
Inzwischen war Feddersen aus seinem Alkoholrausch erwacht und betrat mit mürrischen Blicken das Deck, wo wir auf seine Anweisungen warteten.
›Alles klar?‹, harsch er uns mit heiserer Stimme an.
›Nein, Dame an Bord!‹ rief Jens Büssenschütt, der Steuermann. Jens galt als Vertrauter Feddersens und durfte sich Dinge herausnehmen, die sich kein anderer von uns zu tun erlaubt hätte. Er schien sich bereits auf Feddersens Reaktion zu freuen sowie auf die unweigerlich folgende Strafaktion mit zumeist tödlichem Ausgang.
›Wo ist das Weibsstück?‹ krächzte Feddersen erbost.
›In Fokkos Hängematte‹, frohlockte Jens.
Feddersen ahnte natürlich nicht, dass wir vier Verbündeten bereits die geladenen Revolver unter unserer Kleidung versteckt hatten, denn jeder nicht von ihm selbst angeordnete Waffenbesitz bedeutete nach seiner Rechtsauffassung zwangsläufig die Verhängung der Todesstrafe.
›Holt mir das Frauenzimmer herbei, aber rasch!‹, kreischte er wütend. Und mit boshaften Blicken sah er mich an:
›Ha, also der Fokko! Ein Liebchen hast du also in der Hängematte. Du weißt hoffentlich, dass das ein Verstoß gegen unseren Codex ist, der dich und die kleine Hure das Leben kosten wird.‹
Ich sah furchtlos in seine mich kalt anstarrenden Augen.
›Das ist kein Liebchen, sondern eine Schiffbrüchige von der »WESTERLAND«, die meine Kameraden und ich vor dem sicheren Ertrinken retteten. Sie ist übrigens die Tochter jenes Mannes, den du vor ihren Augen erschossen hast.‹
Wieder trafen mich seine bösen Blicke. Dann erhellte sich sein Gesicht, als die junge Frau ans Deck gezerrt wurde. Wollüstig sah er die Konturen ihres jungen Körpers durch ihr dünnes, zerschlissenes Kleidchen schimmern.
›So, du bist also die Tochter des Mannes, der sich mir widersetzte und den ich ins Jenseits befördern musste. Aber Frauen haben auf einem Piratenschiff grundsätzlich nichts verloren. Sie bringen nichts als Unruhe in die Mannschaft. Daher muss ich dich wieder ins Wasser zurückschicken, zusammen mit deinem Retter, der gegen das hier nun mal geltende Gesetz verstoßen hat. Aber zuvor möchte ich uns beiden noch eine paar schöne Stunden machen. Und danach gebe ich dich für meine Leute frei, damit sie dich nochmal richtig durchficken.‹
Unter Freudengeschrei der Besatzung rief er:
›Jens Büssenschütt, bring das Weib umgehend in meine Kajüte!‹
Ich sprang hervor: ›Nein, das wird Jens nicht tun! Du geiler Bock wirst dieser jungen Frau kein Leid zufügen. Sie ist unser Gast und bleibt so lange bei uns, bis wir sie sicher an Land absetzen können!‹ Ich zog die junge Frau an mich heran. Einige ihrer langen, schwarzen Haare hingen in Strähnen über ihrem hübschen, jetzt von Schürfwunden übersäten Gesicht.
Feddersens Kopf schwoll rot an. ›Du elender Hund wagst es, dich gegen den Kapitän dieses Schiffs zu stellen? Quartiermeister Tietjens, öffne die Waffenkammer. An die Waffen, marsch marsch!‹
Alle rannten hinter Nils her zur Waffenkammer. Jeder nahm sich seinen Revolver und eilte zurück aufs Schiffsdeck. Keiner ahnte, dass das Magazin seiner Waffe leer war.
Feddersen stellte sich breitbeinig in Positur.
›Fokko Claasen, ich verurteile dich hier mit zum Tod durch Erschießen und anschließender Übergabe deiner Leiche ans Meer. Und die Hure neben dir bekommt die nächste Kugel. Wie es vor Gericht üblich ist stelle ich dir die Frage: Hast du noch etwas zu deiner Verteidigung zu sagen?‹
Ich begann jetzt schallend zu lachen.
›Wozu brauche ich eine Verteidigung? Ein lächerliches Gericht ist das, du alter Gauner. Pass nur auf, dass du keine Kugel in deinen fetten Bauch bekommst. Man wird dich vor ein echtes Gericht bringen, so oder so. Na los, nun schieß doch!‹
Feddersens verzog sein Gesicht zu einer hämischen Fratze.
›Diese Kugel gilt jetzt dir, du Verräter!‹
Dann drückte er ab. Jedoch außer einem metallischen Klicken geschah nichts. Verzweifelt betätigte er den Abzugshebel, immer wieder. Sechs mal, ohne dass ein Schuss fiel. Erstmals erschien Feddersen fassungslos. Vermutlich war er wütend darüber, seinen Revolver nicht besser versteckt zu haben, als er seinen Rausch ausschlief?
Erst jetzt zückten wir vier Verbündeten unsere Waffen. Dann stellte ich mich vor die versammelte Mannschaft, die bedrohlich ihre Revolver auf uns richtete und rief:
»Werft jetzt alle eure Revolver, Messer und sonstige Waffen über Bord! Wer das nicht sofort tut, wird erschossen.«
Die Mehrheit der Piraten bekamen es mit der Angst zu tun und befolgten auf der Stelle meine Anweisung. Ich vernahm mit Genugtuung das vielfache Aufklatschen der unterschiedlichsten Waffen auf dem Wasserspiegel. Nur die fünf übelsten Kerle weigerten sich, meinem Befehl zu folgen, so auch Steuerman Jens Büssenschütt.
›Du hast uns gar nichts zu befehlen!‹, brüllte er. ›Wir haben nur einen hier, der uns etwas zu befehlen hat, und das ist unser Käpt’n Feddersen!‹
Jens richtete seinen Revolver auf mich, noch nichts ahnend, dass auch sein Magazin nicht gefüllt war. Grinsend drückte er auf den Abzugshebel. Als trotz mehrmaliger Betätigung immer noch kein Schuss fiel, wurde sein Gesicht aschfahl und entmutigt ließ er den Arm sinken.
Wieder erhob ich meine Stimme: ›Ab sofort übernehme ich die Leitung dieses Schiffs. Meine Stellvertreter sind Uwe Sanders, Fietje Kamphusen und Nils Tietjens‹. Und an meine Partner gewandt sagte ich: ›Legt Feddersen Fesseln an und bringt ihn in die Kammer hinunter.‹
Jeder von uns kannte diese Kammer, einen finsteren Raum im Unterdeck, mit einer Fläche von zweieinhalb Quadratmetern und einer Höhe von einem Meter. Jeder von uns hatte hier schon wegen kleinster Versäumnisse einige Tage ohne Wasser und Nahrung zubringen müssen.
Feddersen stierte mich böse an, als er gefesselt wurde. ›Du Hundesohn‹, schrie er mich an. ›Das wirst du noch büßen!‹ Wüste Schimpfwörter ausstoßend schleppten ihn Uwe und Fietje in die Kammer, aus der ich noch lange sein wütendes Geschrei vernahm.
›Und nun zu euch‹, wandte ich mich an die völlig verstörte Mannschaft. ›»Lasst jetzt ein Rettungsboot hinab!‹
Als endlich das kleine Ruderboot auf der heute ziemlich ruhigen See aufsetzte, befahl ich den fünf Rebellen, die »LÜTTJE DEERN« zu verlassen.
›Verpflegung für drei Tage befindet sich an Bord!‹, rief ihnen der Quartiermeister nach, als sie das Fallreep hinunterkletterten und ins Boot sprangen. ›Sucht euch nun ein anderes Kaperschiff!‹
Schon kurz darauf waren die Abtrünnigen aus unseren Blicken verschwunden; ich habe nie wieder etwas über sie erfahren.
Die junge Frau neben mit hatte angstvoll das ganze Geschehen verfolgt. Als endlich etwas Ruhe eingekehrt war, sagte sie:
›Ich möchte mich für meine Rettung bedanken. Ohne Sie und Ihren Mut wäre ich nicht mehr am Leben. Übrigens heiße ich Freja Rasmussen und stamme aus Esbjerg in Dänemark. Mein Vater war dort Pastor. Anlässlich seines 65. Geburtstags ludt ich ihn zu einer Deutschlandreise ein. Wie Sie wissen, fand die ein böses Ende.‹
Ich stellte mich ebenfalls vor und fragte Freja, ob sie Lust hätte, mich mal in Amrum zu besuchen. Ich würde mir dort ein schönes Haus bauen. Aber sie blieb mir vorerst eine Antwort schuldig.
Die übrige Besatzung erklärte sich damit einverstanden, meinen Befehlen zu gehorchen, nachdem ich die gesamte in den letzten Wochen gemachte Beute gleichmäßig unter allen aufgeteilt hatte. Zuvor hatte ich angekündigt, den nächsten Hafen anzulaufen, Feddersen der Polizei zu übergeben und gemeinsam mit Uwe Sanders die »LÜTTJE DEERN« zu verlassen. Was dann aus dem Schiff würde, sollten Fietje Kamphusen und Nils Tietjens entscheiden. Uwe und ich besaßen inzwischen genügend Geld für einen Neuanfang. Und wir hatten von der Piraterie die Nase gestrichen voll.«
Jan Claasen holte tief Luft.
»Tja, das war also Einiges von dem, was ich an noch Lesbarem in der Kiste vorfand. Ganz schön, was mein oller Urgroßvater so alles erlebt hat, nicht wahr?«
»Wirklich toll! Und was ist denn aus dieser Freja Rasmussen geworden?«, wollte der Vater des Jungen wissen.
Jan Claasen hatte bereits diese Frage erwartet und sagte lächelnd:
»Nun, sie wurde meine Urgroßmutter. Das könnt ihr alles in unserm Kirchenbuch nachlesen. Sie soll übrigens eine wunderschöne Frau gewesen sein, wie mir mein Großvater erzählte. Er war eines von den vier Kindern, die Fokko und Freja hatten.
»Und was geschah weiter mit Henning Feddersen, diesem Mörder?« fragte die Rothaarige.
»In einem Zeitungsarchiv entdeckte ich darüber mehrere Artikel. Feddersen wurde wegen mehrfachen Mordes zum Tode durch den Strang verurteilt.«
»Weiß man auch, was aus dem Schiffszimmermann und dem Quartiermeister geworden ist?«
»Nein, darüber fand ich nirgendwo etwas vor. Vielleicht betätigten sie sich weiterhin als Piraten. Aber möglicherweise sind sie auch ganz ausgestiegen, denn beide waren grundanständige Menschen.«
Alle schwiegen jetzt. Dann meinte der Stabsfeldwebel:
»Die Frage, die sich mir nach der ganzen Geschichte stellt ist: Wie war es möglich, dass Piraten nach Lust und Laune Schiffe kaperten, Leute ausraubten oder sogar umbrachten, ohne dass sie verfolgt und der gerechten Strafe zugeführt wurden.«
»Gute Frage«, erwiderte Jan Claasen. »Aber die Antwort darauf ist ganz simpel:
Die Piraten besaßen nämlich die viel schnelleren Schiffe. Durch ihre Beutezüge verfügten sie über die erforderlichen Geldmittel, um sich die besten und schnellsten Boote zu beschaffen. Bereits im Spätmittelalter begannen befeindete Länder damit, Schiffskapitäne mit Kaperbriefen auszustatten. Dadurch erhielten die Kaperfahrer theoretisch einen legalen Anspruch, von der Gegenseite nach Völkerrecht als normale Kriegsteilnehmer behandelt zu werden, allerdings nur so lange, wie der kriegerische Konflikt andauerte. Oft setzten sie ihre Räubereien auch in Friedenszeiten fort. Da sie nun keinen festen Sold mehr erhielten, sondern nur einen Anteil an der Beute, machte dies sie zu gewöhnlichen Piraten. So kam es bereits im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts in Nord- und Ostsee zu einem bedeutenden Anstieg des Piratenwesens. Das ist auch heute noch nicht anders. Denken Sie nur mal an das Horn von Afrika. Da kentern Piraten riesige Öltanker und die Welt scheint dagegen machtlos zu sein.«
»Das war ein hoch interessanter Vormittag«, meinte der Mann mit der Baseballkappe. »Leider legt in Kürze die Fähre ab und ich muss aufbrechen. Haben Sie jedenfalls vielen Dank, Herr Claasen, bestimmt komme ich mal wieder.«
Jetzt verabschiedeten sich auch die anderen. Jan Claasen winkte ihnen noch eine Weile nach und sagte dann zu der vorm Hauseingang sitzenden Skulptur:
»Na, du alter Seeräuber! Haben wir die nicht ganz schön angeschmiert? Die haben doch tatsächlich geglaubt, dass du meinen Urgroßvater Fokko Claasen darstellst. Und haben nicht einmal bemerkt, dass dein Kopf und deine Gliedmaßen aus Kunststoff sind. Na ja, wenigstens entsprach alles übrige den Tatsachen.«
Still vor sich hin lächelnd kehrte er ins Haus zurück.
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Claus H. Stumpff
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Der Autor und Herausgeber Claus H. Stumpff wuchs in Berlin und Graz auf. Seine weiteren Lebensstationen waren u.a. Göttingen, Frankfurt am Main, Nürnberg und München. Der gelernte Industriekaufmann befasste er sich über drei Jahrzehnte mit Planung und Vertrieb naturwissenschaftlicher Fachraumeinrichtungen für Schulen, einschließlich der dazugehörigen Experimentier-Gerätschaften. Danach leitete er bis zu seiner Pensionierung die Niederlassung eines Großunternehmens der Automobil-Zulieferbranche.
Erst im Ruhestand konnte er sich endlich seinem leidenschaftlichen Hobby, der Schriftstellerei, widmen. Neben vielfältigen Interessen gehört seine besondere Liebe den schottischen Western Highlands – seiner zweiten Heimat – was aus seinen auch als Taschenbuch veröffentlichten Romanen »Die Jagd nach dem geheimnisvollen Medaillon« und »Der Schwur am Shaw Hill Castle« hervorgeht..
Claus H. Stumpff lebt seit 1977 mit seiner Ehefrau in einem Münchner Vorort.
Texte: Claus H. Stumpff - www.chsautor.de
Bildmaterialien: Claus H. Stumpff - Titelbild "Im Hafen von Mallaig/Schottland"
Tag der Veröffentlichung: 20.09.2016
Alle Rechte vorbehalten