Emmely, Oma und der Schnee

Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn Von:
User: borgi53
Emmely, Oma und der Schnee
Emmely,Oma und der Schnee.





Emmely liebte ihre Oma, ihren Geruch, ihre Haare, und ganz besonders ihre Geschichten. Viele Stunden hatte sie mit ihrer Oma und den alten Geschichten verbracht. Geheimnisvolle Geschichten von früher. Oma verstand es mit ihrer ruhigen Art die kleine Emmely in eine andere Welt zu versetzten. Emmely durfte sich jeden Tag eine Geschichte von ihrer Oma wünschen, und ganz besonders liebte sie die Geschichte vom kleinen Mädchen mit dem roten Mantel.

Das kleine Mädchen mit dem roten Mantel lebte in den Bergen Italiens, hoch oben über dem See. Der kleine alte Bauernhof lag sehr einsam zwischen gelben Feldern und den Wäldern dessen Bäume Lieder singen konnten. Hier oben waren die Geräusche anders als unten am See, die Gerüche intensiver und die Blumen duftender als Anderswo.

Auf dem Schild über dem Türeingang stand „Picolino“. Das Schild quietschte wenn sich der Wind darin fing. Das kleine Mädchen mit dem roten Mantel wohnte hier mit ihrer Nonna, in Italien nennt man eine Oma eben Nonna. Hier lebten sie ein bescheidenes und dennoch glückliches Leben. Nonna verstand es Geschichten zu erzählen, da waren die Sterne des Himmels rosa, der Wind ein Freund, der alle Menschen streichelte, und der Mond ein aufgeblasener Angeber. Den Wind mochte die kleine Emmely besonders gerne, er setzte sich unter ihren roten Mantel, und sie wünschte sich das er so stark bläst, das er sie durch die Lüfte schweben lässt.

Im Sommer spielten sie auf dem Feld der Träume. Hier waren sie dem Himmel ganz nah, hier auf dem Feld wurden alte Träume begraben und neue Träume entdeckt.

Eines Tages sah das kleine Mädchen mit dem roten Mantel einen Heißluftballon über die Felder schweben. Die Felder lagen im dichten Nebel, und aus dem Nebel liefen Frauen in langen weißen Kleidern dem Ballon entgegen. In dem Ballon saß ihre Oma, und sie rief dem Mädchen noch etwas zu, aber die Kleine konnte es nicht mehr verstehen. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht und winkend entschwand sie dann für immer.

Das kleine Mädchen ging zum Feld der Träume, legte den roten Mantel dort auf die Erde und legte ihre Zukunftsträume dazu. Dann ging sie ins Haus, und schrieb alles auf was sie hier mit der Nonna erlebt hatte. Sie schrieb von einem Ort, der Menschen verwandelt, wer hier einmal auf Picolina war, verlässt diesen Ort verwandelt, und manche gehen nie wieder fort. Wenn sie auch ihre Nonna nicht mehr sehen konnte, so spürte sie das sie immer noch da war, verwandelt und glücklich.

Hier endete immer die Geschichte , und Emmely wollte von ihrer Oma wissen wie sie endet.. Aber Oma hatte gesagt das sie noch zu klein wäre, und sie das Ende der Geschichte noch noch nicht verstehen würde.


Emmely kannte diese Geschichte bis hierhin auswendig. Oma hatte sie immer und immer wieder erzählen müssen, Wort für Wort. An einem grauen Novembertag saßen Emmely und Oma wieder auf dem Sofa um ins Land der Fantasie zu tauchen. An diesem Tag war es nicht so wie sonst. Oma wirkte zerstreut, nicht so bei der Sache, und sie sagte sie hätte Schnee im Kopf. Die Gedanken seien stumpf, so wie die Tritte im Schnee. Emmely musste sie immer wieder unterbrechen, und berichtigen. Es fehlten Stücke der Geschichte, und Emmely war froh das sie so gut aufgepasst hatte. Als sie auf die Hausschuhe ihrer Oma schaute, sah sie ,dass Oma einen braunen und einen schwarzen Hausschuh trug. Die Haare, die sonst so ordentlich nach hinten gekämmt waren, und zu einem Knoten gebunden waren, hingen unordentlich ins Gesicht. Die sonst so hellen blauen Augen waren gläsrig und stierten ins Leere. Dann sagte sie das es bald schneien würde, und dann müsste sie gehen. Emmely verstand nicht was sie damit meinte. Sie holte eine wollene Decke, und legte sie der Oma über die Knie. Sie holte eine Tafel Schokolade aus dem alten Küchenschrank, brach einen Riegel ab, und drückte sie der Oma in die Hand. Oma mochte diese Schokolade immer so gerne, und Emmely mochte sie auch. Während Emmely schon dicke braune Ränder am Mund von der Schokolade hatte, drückte Oma den Riegel in ihrer Hand so lange bis das er geschmolzen war.

Emmelys Oma entfernte sich jetzt jeden Tag ein bisschen mehr aus dieser Welt, und das machte Emmely traurig und auch wütend zugleich. Sie sehnte sich nach der Geborgenheit der Oma, nach ihren Geschichten und den Träumen.

Es kam der erste Schnee in diesem Jahr und Emmely wollte unbedingt einen Schneemann bauen. Voller Freude stürmte sie die Stufen herauf, öffnete die Türe zu Omas Zimmer, um dann wie immer aufs Bett zu springen und ihrer Oma einen dicken Kuss auf die Wange zu drücken. Erst jetzt bemerkte Emmely das ihre Oma nicht mehr lebte. Emmely war überzeugt davon das sich der Schnee aus dem Kopf sich jetzt auf den ganzen Körper der Oma gelegt und sie zu einer Schneeprinzessin gemacht hatte.

Emmely musste nun auf die schönen Geschichten der Oma verzichten, und erfand nun ihre eigenen fantasievollen Kindergeschichten. Jeden Abend betete sie für ihre Oma zum lieben Gott, und legte ein Stückchen Schokolade auf die Fensterbank. Ein Zettel mit den Worten“Nur für Oma“ legte sie immer dazu. Jeden Morgen nach dem Aufstehen lief sie zum Fenster und die Schokolade war immer weg. Da wusste sie das ihre Oma immer in ihrer Nähe war, und das machte sie glücklich.



Eine Geschichte von Emmely, Oma und dem Schnee;-)
Gegen das Vergessen!


Eine Kurzgeschichte von Irmgard Borgmann.

Beiträge und Kommentare
Wichtiger Beitrag
Gelöschter User

Das ist eine ganz zauberhafte Geschichte über Oma und Enkelin, bei der mir viele Erinnerungen an die Zeit im Altenheim kommen, wo oft ein Vergessen mit in der Stube saß. Wie einfühlsam Du das leise Weggehen beschreibst, und Dich sowohl in die Lage der alten Frau, als auch in die des Kindes zu versetzen verstehst. - Dieses Buch hat mich tief berührt!

2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde gelöscht.
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klausblochwitz

Wenn es man immer so schön augehen würde, dann wäre das Leben noch lebenswerter.

Meint Klaus

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