Der Bus kommt!

Von:
User: borgi53
Der Bus kommt!
Der Bus kommt!

Mit meinem Reisegutschein mache ich mich am Montag auf den Weg nach Anrath. Anrath ist ein kleiner beschaulicher Ort in der Nähe von Krefeld. Um 6 Uhr in der Früh steuere ich mein kleines Auto auf das Gelände der Reisegesellschaft. Nur noch ein paar Minuten, so der Busfahrer, dann geht es los.

Herrlich, denke ich, einen ganzen Tag für mich alleine. Die Sonne geht auf, der Himmel hat viele Farben, es wird ein schöner Tag.

Der Busfahrer gibt grünes Licht, ich darf nun endlich in den Bus. Er weist mir den Platz zu, Nummer 29. Er bemerkt das die Sitznummern immer am Rand der Sitze stehen. Die Sitze 29 und 30 haben aber keine Nummern, befinden sich aber genau gegenüber der Kaffeemaschine. Der Motor brummt, und inzwischen habe ich meinen Platz ohne Mühe gefunden. Der Busfahrer und ich starten nun in Richtung Kirche um dort noch eine Dame abzuholen, weiter 7 Stationen sollten folgen.

Ein Ehepaar steigt ein, der Busfahrer erklärt wieder das die Sitze Nummern haben, und ganz leicht zu finden sind. Gut gelaunt begrüßt man sich, und sucht die Sitzreihe. Ich hätte nicht gedacht das es so schwer ist. Hast du unsere Sitze gefunden Klara? Nein, ich habe meine Brille vergessen, und ohne Brille sehe ich nichts. Kannst du mal gucken, du hast doch die Brille mit. Aber auch mit Brille läuft er bis hinten durch, um dann festzustellen das er wieder zurück muss. Dieses Spielchen wiederholt sich an fast jeder Haltestation. Der Bus ist nun voll besetzt, und um 8 Uhr geht es endlich auf die Autobahn in Richtung Brügge.

Ich muss feststellen, dass ich das Küken hier im Bus bin. Mit 59 Jahren alleine auf den Weg zu einem wunderschönen Tagesausflug. Etwas seltsam beäugt von den „noch älteren“ Herrschaften hier im Bus, habe ich beschlossen den Tag zu genießen.

Eine allein reisende Dame in der ersten Reihe, und meine Wenigkeit, ansonsten alles alte Ehepaare, und eine Gruppe Damen sind hier on Tour.

Hinter mir, ein altes Ehepaar, (so denke ich), sie unterhalten sich lautstark. Wobei sie mehr redet als er. Guck mal Franz, ein Single Hotel. Das wäre was für uns. Meine Ohren, ob sie es wollen oder nicht, hören alles mit. Wieso Single Hotel denke ich?
Er antwortet etwas genervt, dass sie doch schon verheiratet wäre. Mit etwas leiserer Stimme antwortet sie ihm, dass DER ja nie da wäre.

Wie ich mich da so täuschen konnte? Die sahen wirklich aus wie ein altes Ehepaar. Nun ist ihr kalt geworden, und möchte gerne von ihm gewärmt werden, wozu er aber keine Lust hat, und gähnt ganz laut.

Das Ehepaar vor mir, futtert nur, Salzgebäck, Schokoriegel, dazwischen ein Schluck Wasser aus der Flasche, dann ein Brötchen. Es ist 9 Uhr, und der Bus rollt über die Autobahn. Ich sehe aus dem Fenster, und das monotone Motorengeräusch macht mich müde. Meine Augen fallen zu, und es folgt ein Sekundenschlaf. Aufgeweckt von dem Geräusch einer zischenden Coladose, sitze ich wieder gerade in meinem Sitz.

Ein Ehepaar zu meiner rechten Seite, lächelt mich an. Sie rote Haare, er rotes Hemd, roter Kopf und dicke Ränder unter den Augen. Ein Säufer, denke ich, so sehen Säufer aus. Sie redet, und redet, von Ärzten und Behörden, denen sie mal anständig die Meinung gesagt hat. Er nickt! Ob die zwei überhaupt ein Ehepaar sind, frage ich mich? Seine Haare sind Öl-grau, wobei ich mich frage wie viel Öl er benötigt hat um aus dem Vogelnest eine „Frisur“ zu machen.

Ich wäre so gerne mal Mäuschen, was sich in den vorderen Reihen so abspielt.
Der Busfahrer kündigt eine kleine Pipipause an. Nun erheben sich alle von ihren Plätzen, um in das Restaurant zu kommen. Die Toiletten befinden sich in der ersten Etage. Ha, ich bin die Erste auf dem stillen Örtchen, nicht zu vergessen, ich bin ja das Küken:-)) Als ich den Ort wieder verlassen will, stehen 50 Personen in Reih und Glied vor der Türe, und betrachten mich von oben bis unten. Was sie gedacht haben, werde ich wohl nie erfahren.

Der Busfahrer hat inzwischen Kaffee gekocht, und lenkt ein das er auch ein Jäckchen hat. Ein Cognacjäckchen für den Kaffee. Sekt für den Kreislauf hat er auch an Bord, ich entscheide mich für Kaffee, schwarz, und ohne Jäckchen.

Die Dame aus der ersten Reihe kommt auf mich zu. Wir wechseln ein paar freundliche Worte, und stellen fest das wir den gleichen Vornahmen haben. Irmgard, ein schöner alter Name, wie sie findet. Da gehen unsere Ansichten schon sehr auseinander, wie ich finde. Sie ist Witwe, seit einem Jahr, und muss wieder unter die Leute. Haben sie noch einen Mann, fragt sie mich. Und als ich antworte das ich noch einen Mann habe, fällt ihre Unterlippe etwas ab. Sie sucht eine Reisebegleitung für weitere Unternehmungen.

Die Fahrt geht weiter, alle haben sich erleichtert, und steigen nun wieder ein. Manche suchen wieder ihren Sitzplatz, ist eben nicht so einfach.

Um 11:30 Uhr erreichen wie Brügge. Am Busbahnhof wartet schon ein Reiseführer. Da die Gruppe so groß ist, sollten zwei Reiseführer vor Ort sein. Ein kurzer Anruf, und wir erfahren das der zweite Führer private familiäre Probleme hat. So muss Ernst, so h durch die heißt unser Held von Brügge, die Führung alleine mit uns unternehmen.

Ernst, schreit sein Wissen in die Gruppe, aber bei den meisten kommt nur Bahnhof“ an. Einige fotografieren, andere unterhalten sich, und wieder andere stieren durch die Gegend.
Ernst gibt sich wirklich große Mühe, und bei der Hitze in der Stadt eine beachtliche Leistung. Nach über einer Stunde ist die Führung, und Ernst am Ende. Wir applaudieren, und rennen in sämtliche Himmelsrichtungen davon.

Drei Stunden zur freien Verfügung. Brügge ist eine schöne Stadt, da gibt es viel zu sehen, wenn nicht gerade Montag wäre. Da haben nämlich die Museen geschlossen, aber die vielen Restaurants sind geöffnet. Einige Leute aus dem Bus sitzen schon wieder und stärken sich. Ich laufe durch die Stadt, das dicke Kopfsteinpflaster passt zwar wunderbar ins Stadtbild, ist aber für die Füße eine Herausforderung.

Ich versuche die Straßenseite zu wechseln, was nicht ganz ungefährlich ist. Die Pferdedroschken haben ein ganz schönes Tempo drauf, und die Hufe der Pferde dröhnen laut über den Asphalt. Eine halbe Stunde für 39 Euro, dass kann sich sehen lassen, und ich beschließe mir das zu verkneifen.

Als ich um die Ecke biege, entdecke ich ein kleines romantisches Lokal. Ich brauche eine Stärkung, und meine Füße eine Pause. Eine Stunde zieht ins Land, und nun bleibt nicht mehr so viel Zeit. Wie schnell die zeit doch vergeht, denke ich, und mache mich auf den Weg noch einige schöne Ecken zu entdecken.

Wie war das noch mal, wo muss ich wieder zum Bus? Der Schweiß läuft, und das Herz klopft. Ich muss mich an der Kirchturmspitze orientieren. Geht doch, jetzt bin ich wieder auf dem richtigen Weg.

Es ist 16:30 Uhr als ich den Bus wieder entdecke, also noch eine viertel Stunde und dann geht es wieder in den Bus. Langsam treffen meine Busleute auch wieder ein. Der Busfahrer zählt durch, und stellt fest, dass zwei Leute fehlen. Die mit den roten Haaren, und der mit dem roten Hemd, und den Rändern unter den Augen. 48 Augenpaare stieren in eine Richtung, aber die zwei sind nicht zu sehen. Unmut macht sich breit, einige stöhnen. Bin fix und fertig, will nach Hause, puh war das anstrengend. Eine halbe Stunde zieht ins Land, und plötzlich tauchen die zwei auf. Sie hatten sich verlaufen, allgemeines Kopfschütteln, dann schließt der Busfahrer die Türen, und ab geht es.

Es ist ruhiger geworden im Bus, die Gespräche leiser, einige sind in tiefe Träume gefallen und schnarchen vor sich hin. Eine Pipipause fällt aus, weil wir schon spät dran sind. Einige freuen sich auf das Abendprogramm, was ich jetzt ja überhaupt nicht verstehen kann. Die hinter mir entdecken bei einem Blick aus dem Fenster das es nieselt. Och nee, ruft die Frau. Morgen muss ich früh raus, Damentreffen. Dann muss ich mir ja noch die Haare vorher waschen, sonst sind die so krisselig.
Du hast gesagt, es regnet nicht, und deshalb habe ich meinen Schirm auch nicht dabei. Er brummelt etwas vor sich hin. Bin ich froh das ich alleine unterwegs bin.

Wir verlassen die Autobahn, und es ist 20 Uhr. Jetzt müssen die sieben Stationen wieder abgearbeitet werden. Nach und nach verlassen alle so langsam den Bus. Der Ton wird schärfer wenn man nicht bis drei den Ein-Ausstieg verlassen hat. Da wird auch schon mal gerempelt. Gut das ich die Letzte bin die aussteigen muss.
Mir geht durch den Kopf“Die Ersten werden die Letzten sein“, steht schon in der Bibel.

Die Dame aus der ersten Reihe, müsste nun auch aussteigen, aber sie denkt nicht daran. Sie torkelt von der ersten Reihe auf mich in der 29 Reihe zu. Nicht weil sie zu tief ins Glas geschaut hat, nein sie hatte eine Eingebung.

Sie fragt mich, da ich doch mein Auto auf dem Parkplatz bei dem Busunternehmen geparkt habe, ob sie sich mir anschließen dürfe. Dann käme der Busfahrer doch auch schneller nach Hause. Ob das der einzige Grund für ihre Bitte ist, schießt es mir durch den Kopf. Sie setzt sich zu mir, und erzählt das sie „dumm wie sie ist, Bier für jemanden besorgt hätte“, und die Flaschen ziemlich schwer zu schleppen sind.
Aha, denke ich, habe ich mir doch gedacht das nicht der Busfahrer der Grund ist. Aber ich bin ja nicht so, und nehme sie natürlich mit.

Auf dem Parkplatz verabschieden wir uns von dem netten Busfahrer, und laufen auf mein Auto zu. Sie schreit über den Parkplatz“ Nein, ich glaube es nicht, mein Traumauto! Ich bin mir nicht sicher ob sie mein Auto meint, und schaue mich um welche Autos noch auf dem Gelände stehen. Aber sie meint wirklich mein Auto. Ein Cabrio, wie schön. Er hat zwar nach 11Jahren schon einige kleine Beulen, aber ich liebe dieses Auto sehr, und es macht mich ein bisschen Stolz das die Dame mich darum beneidet.

Ich fahre sie mit ihren Bierflaschen bis vor die Haustüre. Inzwischen ist es 22 Uhr und in Anrath sind die Bürgersteige hochgeklappt. Außer einer Katze ist niemand mehr zu sehen. Mit lautem Getöse verlässt die Dame mein Auto, und lädt mich spontan zum Kaffee ein. Nicht jetzt sofort, aber wenn ich zufällig in Anrath bin. Ich verspreche es, und habe die Finger meiner linken Hand über Kreuz.

Winke, Winke, und dann bin ich auf dem Weg nach Hause.

Ein Einsteigen-Wohlfühlen-Aussteigen Tag geht zu Ende.
Schön war`s.


Text
Irmgard Borgmann
Bild: Irmgard Borgmann

Beiträge und Kommentare
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borgi53

Ganz lieben Dank für das Herzchen und deinen Kommentar. Im Beginnenhof war ich auch an diesem Tag, sehr schön.

Liebe Grüße
Borgi

2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde gelöscht.
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genoveva

Ich danke dir für deine Freundschaftsanfrage!Wir kennen uns ja schon ein bisschen über "Opinio" und du siehst, dass einige davon hier sind.
Ich wählte dieses Buch zuerst, weil ich gar nicht weit davon wohne. In Erkelenz.
Deine Geschichte hat mich auch deshalb angezogen, weil ich schon mehrmals in Brügge gewesen bin und ich mich in dieses Städtchen geradezu verliebt habe.
Schade, dass du nur kurz u. noch an einem Montag da... mehr anzeigen

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borgi53

Vielen Dank für den netten Kommentar liebe Andy, für dich ein schönes Wochenende.
LG Borgi

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borgi53

Vielen Dank für deinen netten Kommentar.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.

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Rebekka Weber

Ja, die Museen waren leider geschlossen, aber sicher hast du in der Stadt schöne Fotos machen können.
Brügge heißt ja auch Venedig des Nordens, wenn ich mich nicht täusche.
Danke für diesen amüsanten Bericht!
LG von Rebekka

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robustus

Wie eine reale Szene erscheint der Text dem Leser vor Augen.Schade, dass du in Bruegge die Museen nicht besichtigen konntest, denn die sind wunderbar.

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